RdErl. des MRLU vom 3.9.1996 - L 01-42506/6
Im Sinne des RdErl. sind
1.1. Fundtiere: Tiere, die nicht offensichtlich herrenlos sind und von einer Person aufgegriffen wurden, die nicht zuvor Eigentüerin oder Eigentümer bzw. Besitzerin oder Besitzer des Tieres war.
1.2. Herrenlose Tiere: Tiere, die in niemandes Eigentum stehen.
Das sind Haustiere, an denen das Eigentum aufgegeben wurde (§ 959 des Bürgerlichen Gesetzbuches, BGB) und wilde Tiere, solange sie sich in Freiheit befinden (vgl. im einzelnen § 960 BGB).
1.3. Abgabetiere: Tiere, die die Eigentümerin oder der Eigentümer aus individuellen Gründen (z.B. Wohnungswechsel, familiäre Gründe, Krankenhausaufenthalt) nicht mehr halten kann oder will und somit beabsichtigt, das Eigentum an dem Tier einer oder einem anderen zu übertragen.
1.4. Unterbringungstiere:
1.4.1. Tiere, die Opfer einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit sind und gemäß § 19 des Tierschutzgesetzes i.d.F. vom 17.2.1993 (BGBl. I S. 254), zuletzt geändert durch Art. 86 des EWR-Ausführuungsgesetzes vom 27.4.1993 (BGBl. I S. 2436) weggenommen wurden,
1.4.2. Tiere, deren Eigentümerin oder Eigentümer verstorben sind und dessen Erbinnen oder Erben nicht oder nicht unmittelbar in kürzester Zeit ermittelt werden können.
2.1. Behandlung von Fundtieren und Kostentragungspflicht
Mit der Inbesitznahme eines Fundtieres, zum Beispiel durch Anleinen eines entlaufenen Tieres, geht die Finderin oder der Finder zunächst die Verpflichtung ein, das Tier tierschutzgerecht unterzubringen und den gesetzlichen Bestimmungen des Fundrechtes (§§ 965 ff. BGB i.V.m. § 90a BGB) genüge zu tun. Der Fund ist unverzüglich der Verliererin oder dem Verlierer bzw. Eigentümerin oder Eigentümer bzw., wenn diese oder dieser unbekannt ist, der zuständigen Gemeinde oder Polizeibehörde, dieser unter Angabe der Umstände, die für die Ermittlung der Verliererin oder des Verlierers bzw. Eigentümerin oder Eigentümers von Bedeutung ein können, anzuzeigen. Die behördliche Verpflichtung zur Verwahrung von Fundtieren folgt aus der Berechtigung der Finderin oder des Finders, die Fundsache bei der zuständigen Behörde abzugeben (§ 967 BGB i.V.m. § 90a BGB und i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 6 der Allgemeinen Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung vonn Bundesrecht vom 7.5.1994, GVbl. LSA S.568, geändert durch Verordnung vom 15.2.1995, GVBl. LSA S.64).
Die zuständigen Gemeinden übertragen die Durchführung der Fundtiere gemäß § 90a BGB meist an Dritte, zum Beispiel an die von örtlichen Tierschutzvereinen betriebenen Tierheime, vergleichbare Einrichtungen oder Privatpersonen.
Hierzu ergeben sich aus rechtlicher Sicht folgende Möglichkeiten:
2.1.1. Die Gemeinde überträgt dem Tierheim die Wahrnehmung der Verwahrungspflicht mittels eines Auftrages nach § 662 BGB und ist in diesem Fall als Auftraggeber gemäß § 670 BGB verpflichtet, dem Tierheim die erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen.
Im Sinne einer bürgernahen Verwaltung soll in der Verwaltungspraxis davon ausgegangen werden, daß das Tierheim Fundtiere unmittelbar in Verwahrung nimmt und Finderinnen und Finder die Tiere dort direkt abgeben können. Die Verpflichtung zum Ersatz der Aufwendungen besteht auch in diesem Fall (§ 683 BGB).
Die Anzeigepflicht Finderinnen oder des Finders gemäß § 965 Abs. 2 BGB bleibt aber erhalten. Die unverzüglich vorzunehmende Anzeige kann auch durch die mit der Unterbringung beauftragte Person oder Stelle, zum Beispiel durch das Tierheim oder den TIerschutzverein, vorgenommen werden.
Zu den Aufwendungen, die die Gemeinde zu erstatten hat, gehören insbesondere die Kosten für eine artgemäße Unterbringung, Pflege und Ernährung im Sinne des § 2 des Tierschutzgesetzes, ferner die Kosten für notwendige tierärztliche Behandlungen der Fundtiere, um die Gesundheit des Tieres zu erhalten oder wiederherzustellen (z.B. Behandlungskosten für Verletzungen, akute Krankheiten sowie für prophylaktische Entwurmungen und Impfungen), und den Transport.Die Erstattungspflicht der Gemeinden für die Kosten einer tierärztlichen Behandlung verletzt oder krank aufgefundener Tiere besteht auch dann, wenn die Finderin oder der Finder das Tier unmittelbar zu einer Tierärztin oder einem Tierarzt bringt, sofern die Behandlung unaufschiebbar war. Auch dann gilt die Anzeigepflicht der Finderin oder des Finders gemäß § 965 Abs. 2 BGB.
Sollte sich die Eigentümerin oder der Eigentümer des Tieres finden und dieser nicht unmittelbar von der Finderin oder dem Finder oder der Tierärztin oder Tierarzt in Anspruch genommen worden sein, können die Gemeinden eine Erstattung der Kosten von der Tiereigentümerin oder dem Tiereigentümer verlangen (§ 683 BGB).
Ist die Eigentümerin oder der Eigentümer nicht zu ermitteln, so wird die Finderin oder der Finder mit Ablauf der Sechs-Monate-Frist (§ 973 BGB) Eigentümerin oder Eigentümer des Fundtieres und endet die Verwahrungsfrist der Fundbehörden, sofern nicht die Finderin oder der Finder auf ihre ider seine Rechte verzichtet (§ 976 BGB).
2.1.2. Will die Finderin oder der Finder das Tier später erwerben und ist eine tierschutzgerechte Haltung gewährleistet, so kann der Finderin oder dem Finder das Tier schon vor Ablauf der Sechs-Monate-Frist übergeben werden. In einem Tierübergabevertrag ist jedoch zu vereinbaren, daß die Finderin oder der Finder vor Fristablauf das Fundtier gegen Erstattung seiner Aufwendungen an die Eigentümerin oder den Eigentümer herauszugeben hat, wenn diese oder dieser zwischenzeitlich ermittelt wird. Gleiches gilt für den Fall, daß eine andere Dritte oder ein anderer Dritter ein Fundtier vor Ablauf der Verwahrungsfrist erwerben will, wenn eine den Anforderungen des § 2 des Tierschutzgesetzes entsprechende Haltung gewährleistet ist und die Finderin oder der Finder auf ihr oder sein Eigentumserwerbsrecht verzichtet hat.
2.2. Behandlung von herrenlosen Tieren und Kostentragungspflicht
Bei herrenlosen Tieren ist das Fundrecht nicht anwendbar.
Sofern herrenlose Tiere im Rahmen der Gefahrenabwehr in Besitz genommen werden, gelten die Vorschriftten des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt i.d.F. vom 1.1.1996 (GVBl. LSA S. 2), insbesondere für die Kostenregelung § 103.
Nummern 2.1.1. und 2.1.2. gelten entsprechend mit der Maßgabe, daß eine Aneignung bzw. Übereignung jederzeit möglich ist.
Im übrigen finden die allgemeinen Vorschriften des Jagd- und Naturschutzrechtes Anwendung.
2.3. Behandlung von Abgabetieren und Kostentragungspflicht
Beabsichtigt die Eigentümerin oder der Eigentümer eines Tieres die Abgabe dessen an ein Tierheim, so ist diese oder dieser für die entstehenden Aufwendungen kostenpflichtig. Eine gesetzliche Aufnahmepflicht für Tiere, die rechtlich noch ihre Eigentümerin oder ihren Eigentümer besitzen, besteht nicht.
Nähere Einzelheiten (Eigentumsübertragung, Kostentragungspflicht) richten sich nach den Vereinbarungen zwischen Eigentümerin oder Eigentümer und Übernahmeperson.
2.4. Behandlung von Unterbringungstieren und Kostentragungspflicht
2.4.1. Behördlich fortgenommene Tiere nach § 16a Nr. 2 des Tierschutzgesetzes sowie eingezogene Tiere nach § 19 des Tierschutzgesetzes
Soweit es sich um behördliche Maßnahmen zur Sicherstellung von Tieren im Straf-, im Bußgeldverfahren oder zur Gefahrenabwehr handelt, wird auf den RdErl. des MI vom 16.8.1995 (MBl. LSA S. 2057) verwiesen.
Werden Tiere nach dem Gutachten einer beamteten Tierärztin oder eines beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 des Tierschutzgesetzes erheblich vernachlässigt, kann die zuständige Behörde das Tier der Halterin oder dem Halter fortnehmen und solange auf deren oder dessen Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechende Haltung gewährleistet ist.
Die anderweitige Unterbringung, die in der Regel in einem Tierheim erfolgt, ist zeitlich nur durch das Ziel der Maßnahme begrenzt. Sie geschieht grundsätzlich auf Kosten derer oder dessen, der oder dem das Tier fortgenommen wird (Erstattungsanspruch).
2.4.2. Behandlung von Tieren, deren Eigentümerin oder Eigentümer verstorben ist und deren oder dessen Erbinnen oder Erben nicht zu ermitteln sind.
Verstirbt eine Tierbesitzerin oder ein Tierbesitzer und können die Erbinnen oder Erben nicht oder nicht unverzüglich ermittelt werden, gilt Nr. 2.4.1. entsprechend, bis eine Nachlaßpflegerin oder ein Nachlaßpfleger bestellt wird. Von ihr oder ihm oder den inzwischen ermittelten Erbinnen oder Erben kann eine Erstattung der Unterbringungskosten verlangt werden.
Den zuständigen Behörden wird empfohlen, einzeln oder gemeinsam mit Nachbargemeinden entsprechende Vereinbarungen (eventuell Pauschalvereinbarungen) mit den jeweiligen Tierschutzvereinen zu treffen. Hierdurch sollen einerseits Tierheime bzw. Tierschutzvereine mit der Unterbringung und Betreuung der Tiere beauftragt und andererseits eine Übernahme der Kosten durch die zuständigen Behörden als Gegenleistung für die geleisteten Dienste zugesichert werden.
Es ist anzumerken, daß eine Paushale, die sämtliche Erstattungspflichten abgilt, nicht nur der Verwaltungsvereinfacung dient, sondern sowohl für die Gemeinde als auch für die Tierschutzvereine den Vorteil hat, daß die für die Fundtiere aufzuwendenden und zur Verfügung stehenden Mittel vorhersehbar und damit einplanbar sind.
Dieser RdErl. tritt am Tage nach seiner Veröffentlichung in Kraft.