Kampfhunde - Vorurteile und Tatsachen

Kampfhunde sind eine Hunderasse.

Zunächst muss - auch wenn das Züchter nicht gern hören - festgestellt werden, dass die heute bekannten Hunderassen keine Rassen im wissenschaftlichen Sinne sind. Rassen einer Tierart zeichnen sich dadurch aus, dass es genetische Unterschiede zwischen ihnen gibt. Es gibt jedoch keinen nachweisbaren genetischen Unterschied zwischen einem Zwergspitz und einer Dogge.

Als Kampfhunde werden speziell Staffordshire Bullterrier, American Staffordshire Terrier, American Pitbull Terrier und Bullterrier sowie Kreuzungen dieser Rassen untereinander oder mit anderen Rassen bezeichnet. Außerdem werden je nach Bundesland unterschiedliche Rassen als potenziell gefährlich angesehen, z.B. Fila Brasileiro, Dogo Argentino, Mastiff, Bullmastiff, Rottweiler und andere. Bundesweit ist der Import und die Zucht der erstgenannten Rassen verboten; die Möglichkeit der Haltung, die Zusammensetzung der sogenannten "Liste 2" sowie die Auflagen für Hunde und Halter sind in jedem Bundesland anders geregelt. So kann eine Hunderasse, die in Bayern als gefährlich gilt, in Mecklenburg-Vorpommern als unbedenklich eingestuft sein.

Im Folgenden werden als Kampfhunde die erstgenannten Rassen verstanden. Anzumerken ist, dass der American Pitbull Terrier als Rasse international nicht anerkannt ist. Außerdem ist die Rassezugehörigkeit von Mischlingen nur dann mit wissenschaftlicher Sicherheit festzustellen, wenn beide Elterntiere und deren RAssezugehörigkeit bekannt sind. Mancher brave Labrador-Mix kann sehr nach American Staffordshire Terrier aussehen. Zudem zierten manche Landeslisten auch Hunderassen, die es überhaupt nicht gibt wie der Bandog oder der Römische oder Chinesische Kampfhund.

Kampfhunde sind besonders große Tiere.

Das triff nicht zu, alle Kampfhunderassen sind mittelgroß:
Rasse Schulterhöhe Gewicht
Beagle 33-40 cm 8-14 kg
Staffordshire Bullterrier 36-41 cm 11-17 kg
Kleinpudel 35-45 cm ca 14 kg
Großspitz mindestens 40 cm 18 kg
Bullterrier 42-48 cm 24-32 kg
American Staffordshire Terrier 43-48 cm 18-23 kg
Pitbull Terrier 46-56 cm 23-26 kg
Golden Retriever 51-61 cm 27-34 kg
Dalmatiner 56-61 cm 23-25 kg
Boxer 53-63 cm 25-32 kg
Deutscher Schäferhund 55-65 cm 34-43 kg

Wie man sehen kann, hat der Staffordshire Bullterrier in etwa die Größe eines Pudels, die anderen Rassen liegen ungefähr zwischen Spitz und Golden Retriever.


American Staffordshire Terrier Bullterrier
American Staffordshire Terrier Bullterrier
American Pitbull Terrier Staffordshire Bullterrier
American Pitbull Terrier Staffordshire Bullterrier

Kampfhunde werden für den Hundekampf gezüchtet.

Hundekämpfe waren in der Vergangenheit eine beliebte Volksbelustigung und eine ergiebige Geldquelle für die Hundebesitzer. Daher wurden starke Hunde gezüchtet und systematisch für die Kampfarena (englisch Pit) ausgebildet. Seit Ende des neuzehnten bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wurden diese Hundekämpfe in den meisten Ländern verboten. Seither gibt es - abgesehen von illegalen Hinterhofzuchten - keine Hundezucht mehr für den Hundekampf. Stafford und Co werden seit weit über einhundert Jahren als Familien- und Begleithunde gehalten. Übrigens wurden auch die Vorfahren anderer großer Hunderassen für Hundekämpfe missbraucht.

Kampfhunde zeichnen sich durch eine besonders große Beißkraft aus.

Diese Behauptung wird auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Bislang gibt es keine wissenschaftlich haltbaren Messungen über die maximale Beißkraft eines Hundes. Kräfte von ein, zwei oder mehr Tonnen gehören ins Reich der Märchen; ein Hund, der mit solcher Kraft zubisse, würde sich dabei den Kiefer brechen. Es ist davon auszugehen, dass die Beißkraft der vergleichbar großer Hunde entspricht. Übrigens ist für die Gefährlichkeit eines Hundes nicht erheblich, ob er mit einer Kraft von fünfhundert Kilogramm oder zwei Tonnen zubeißt, sondern ob er überhaupt zubeißt.

Kampfhunde sind besonders aggressiv.

Dies ist das Kernargument der Hundeverordnungen und -gesetze. Hier sei zunächst klargestellt, dass Aggressivität nicht eine Eigenschaft wie Blauäugigkeit oder Riesenwuchs ist. Aggressionen sind einer von vielen Antrieben, die das Verhalten von Mensch und Tier steuern. Einfach gesagt ist Aggression das Bestreben, eigene Interessen offensiv gegen andere durchzusetzen. Sie steht dabei in unterschiedlichsten Zusammenhängen und kann sich bei Hunden zum Beispiel als Verteidigung des eigenen Futternapfes darzustellen, als Rüpelei unter Rüden oder als Verteidigung des eigenen Rudels (der Familie) und Reviers (des Grundstücks) gegen Fremde. Und selbst das friedlichste Hündchen wird schnappen, wenn man ihm rücksichtslos auf die Pfoten tritt.

Kampfhunde wurden zur Aggressivität gegen ihre Artgenossen erzogen - allerdings nur in der Situation der Kampfarena. (Es gibt die Geschichte von einem Pitbull, der den Schwanz einkniff und davonlief, als er von einem Straßenhund angefallen wurde.) Sie mussten sich selbst im heftigsten Kampf von ihren Haltern trennen lassen - ein Kampfhund, der nach Menschen biss war wertlos. Kampfhunde wurden nie zum Angriff auf Menschen gezüchtet oder erzogen. Das blieb anderen Hunderassen vorbehalten. Selbst wenn man unterstellt, dass Verhaltensweisen des Hundes erblich seien, ist also bei Hunden, die für den Hundekampf gezüchtet wurden, von keiner erhöhten Gefährlichkeit Menschen gegenüber auszugehen - eher vom Gegenteil.

Nun ist es aber so, dass Hunde sozial lebende Tiere sind. Die Vorausetzung und zugleich der entscheidende Vorteil des Lebens in Sozialverbänden ist die Lernfähigkeit und Anpassungsfähigkeit des Individuums. (Die Ausnahme bilden allenfalls staatsbildende Insekten wie Ameisen, Termiten, Wespen, oder Bienen.) Das Individuum zappelt nicht an den Fäden seiner Gene, sondern lernt differenziertes und der Situation angemessenes Verhalten im Umgang mit den Mitgliedern seines Sozialverbandes. Es hat natürlich eine genetische "Grundausstattung", aber komplexe Verhaltensweisen werden jedenfalls im Sozialverband geprägt.

Ein freundlicher, ängstlicher oder aggressiver Hund wird nicht geboren, sondern erzogen, in der frühen Welpenzeit durch Mutter und Geschwister, danach durch seine Menschen- (und Tier-) familie. Wenn man überdies daran denkt, dass genetische Unterschiede zwischen den heutigen Hunderassen nicht nachweisbar sind, so kann man nicht umhin, die Theorie gefährlicher Hunderassen abwegig zu finden.

Die praktischen Befunde entsprechen diesen Überlegungen: keine der Kampfhunderassen ist in der Statistik von Beißvorfällen auffällig (in die übrigens mit schönster Selbstverständlichkeit auch Auseinandersetzungen zwischen Hunden und von Hunden mit anderen Tieren eingerechnet werden, bei denen kein Mensch gefährdet ist). Auffällig ist nur das ausgiebige Interesse bestimmter Medien an jedem Vorfall, an dem ein Kampfhund beteiligt ist.

Kampfhunde haben kein Schmerzempfinden.

Das ist schlicht Unsinn.

Kampfhunde werden überwiegend von Zuhältern, Kriminellen und Menschen mit mangelndem Selbstbewusstsein gehalten.

Mit diesem Vorurteil wird dem Schmuddelhund der Schmuddelmensch zugeordnet. Der Staffordshire Bullterrier ist in England einer der beliebtesten Familienhunde, und American Stafforshire Terrier und Pitbulls werden in den USA gern als Farmhunde gehalten. Bevor das Interesse der Öffentlichkeit auf die Kampfhunderassen gelenkt wurde, waren sie in Deutschland weitgehend unbekannt und wurden nur von wenigen Liebhabern gezüchtet. Erst ihr Ruf als schmerzunempfindliche aggressive Kampfmaschinen machte sie für Menschen am Rande und jenseits der Grenze zur Kriminalität interessant. Und schlechter Umgang verdirbt den Hund.

Die Hundeverordnungen und -gesetze wurden notwendig, weil es in den letzten Jahren zu einer erhöhten Zahl von (tödlichen) Beißvorfällen mit Hunden kam.

Erhöht hat sich lediglich die (veröffentlichte) Aufmerksamkeit gegenüber solchen Vorfällen. Wenn über jeden Autounfall und seine schrecklichen Folgen so detail- und bildreich berichtet würde, könnte leicht der Gedanke aufkommen, dass der Straßenverkehr gefährlich sei. Übrigens sterben weitaus mehr Menschen an den Folgen von Insektenstichen als durch Hundebisse.

Kampfhunde gefährden besonders die Kinder.

Dieser Gedanke verbreitete sich nach dem Vorfall vom Sommer 2000 in Hamburg, als ein Kind von zwei American Staffordshire Terriern getötet wurde. Hier werden Urängste beschworen vor dem bösen Wolf, der kleine Kinder frisst, und wo Ängste kochen, wird der Verstand gern ausgeschaltet. Mit dieser einmal im Hintergrund vorausgesetzten, ein anderes Mal deutlich ausgesprochenen Vorstellung wird immer dann operiert, wenn es darauf geht, sachliche Überlegungen zu verhindern.

Es soll am Beispiel eines Berichtes der Magdeburger Volksstimme vom 17. Januar 2003 demonstriert werden. Nachdem hier über W.Marchewka berichtet wird, der einen American Staffordshire Terrier als Schulhund ausgebildet hat, mit dem er in Schulen Kindern zeigt, wie man mit Hunden richtig umgeht, kommt folgende Stellungnahme von Matthias Schuppe, Sprecher des Innenministeriums des Landes Sachsen-Anhalt:

"Es ist nicht erfunden, dass verängstigte Mütter ihre Kinder nehmen und auf die andere Straßenseite rennen, wenn ihnen ein Kampfhund entgegenkommt." Und dass solche Tiere nichts bei öffentlichen Veranstaltungen, auf Spiel- und Sportplätzen zu suchen hätten, wolle doch niemand ernsthaft bestreiten.

Was geschieht hier? Der Gedankengang ist folgender: "Kampfhunde sind gefährlich, DESHALB flüchten zu Recht besorgte Mütter angstvoll mit ihren Kindern auf die andere Straßenseite, DESHALB muss man verhindern, dass Kampfhunde in die Nähe von öffentlichen Veranstaltungen, Spiel- und Sportplätzen gelangen - und DESHALB brauchen wir ein Gesetz, das das verhindert. Dass das dem vorhergegangenen Bericht diametral entgegensteht, scheint überhaupt nicht zu stören. Auffallend ist insgesamt die irrationale Resistenz der Befürworter von Kampfhundegesetzen gegen Argumente und Tatsachen.

In den USA werden American Staffordshire Terrier besonders gern als Therapiehunde ausgebildet (das müssen Hunde sein, deren Aggressionsschwelle zuverlässig so hoch liegt, dass sie auch auf unerwartetes und bedrohlich wirkendes Verhalten beispielsweise geistig Behinderter friedlich reagieren), und der Staffordshire Bullterrier heißt in England "nurse dog", was man als "Kindermädchen auf vier Pfoten" übersetzen kann.

In Wirklichkeit ist die oben beschworene hysterische Reaktion einer Mutter unverantwortlich: sie verunsichert sowohl den Hund, der den Eindruck bekommt, dass mit Kindern irgendetwas nicht in Ordnung sein muss, als auch das Kind, das sie zu unvernünfigen panischen Reaktionen gegenüber Hunden erzieht und tut damit alles, was in in ihrer Macht steht, um einen Beißvorfall zu provozieren. Dieses unvernünftige Verhalten wird dann außerhalb aller Logik als Beweis der Gefährlichkeit von Kampfhunden (besonders gegenüber Kindern...) herangezogen.

(Herrn Schuppe ins Stammbuch: Ich bestreite allen Ernstes, dass solche Tiere nichts bei öffentlichen Veranstaltungen, auf Spiel- und Sportplätzen zu suchen haben.)

Kampfhunde beißen Passanten auf der Straße.

Dass Hunde irgendwelche unbeteiligten Passanten anfallen, ist extrem unwahrscheinlich. Am häufigsten gibt es Beißvorfälle innerhalb der Familie des Hundehalters, weiterhin können sie geschehen, wenn ein Fremder in das Territorium eintritt, das ein Hund bewacht. Ein Passant kann sein Risko gebissen zu werden maximieren, indem er - möglichst laut schreiend und mit erhobenen Armen - die Flucht ergreift.

Vor dem Erlass der Hundeverordnungen/-gesetze waren die Bürger nicht vor gefährlichen Hunden geschützt.

Es gab schon immer eine Gefahrenabwehrverordnung, die ein Einschreiten des Staates gegenüber Gefährdungen auch durch Hunde ermöglichte. Bezeichnenderweise äußerte Innenminister Klaus Jeziorski, nachdem die Hundeverordnung von Sachsen-Anhalt im Dezember 2002 vom Oberverwaltungsgericht Magdeburg für ungültig erklärt worden war: "Natürlich kann und muss auch weiterhin bei jeder konkreten Gefahr durch Hunde eingegriffen werden." - selbstverständlich ohne den naheliegenden Schluss daraus zu ziehen, dass also ein Kampfhundegesetz auch gar nicht nötig ist. Auch der Hamburger Vorfall hätte nach allem, was man darüber hören konnte, verhindert werden können, wenn die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten genutzt worden wären.

Die Hundeverordnungen und -gesetze schützen die Bürger vor gefährlichen Hunden.

Solange Hundeverordnungen von der Gefährlichkeit bestimmter Rassen ausgehen, verfehlen sie den Kern der Sache. Sie suggerieren, dass die Verringerung des Bestandes oder Ausrottung bestimmter Hunderassen die Gefährdung der Bürger durch Hunde wesentlich verringern würde. Es gibt aber keine gefährlichen Hunderassen, und umgekehrt - es kann bei jeder Hunderasse gefährliche Vertreter geben. Und jeder gefährliche Hund ist Produkt eines unwissenden oder gefährlichen Halters. Wenn man hier weiteres gesetzgeberisches Handeln überhaupt für notwendig hält, muss es am oberen Ende der Leine ansetzen.

Jedenfalls wäre es sinnvoll, wenn eine Verordnung, die vor gefährlichen Hunden schützen soll, die Haltung von tatsächlich gefährlichen Hunden regeln würde statt die Haltung von Hunden, deren Gefährlichkeit der Gesetzgeber "unwiderlegbar vermutet". "Unwiderlegbare Vermutung" ist sicher eine treffende Beschreibung dessen, was man unter einem Vorurteil versteht, und so hat (z.B. in Hessen) das Vorurteil explizit Eingang in die Gesetzgebung gefunden.

Die Absicht der Hundeverordnungen und -gesetze ist der Schutz der Bürger vor Gefährdungen.

Die Hartnäckigkeit, mit der in der Politik versucht wird, entgegen dem gesunden Menschenverstand, entgegen allen Erfahrungen, entgegen einer Vielzahl von wissenschaftlichen Stellungnahmen und entgegen einer wachsenden Zahl von Gerichtsurteilen ein rassistisches Gesetz durchzusetzen, das in im Verhältnis zum Gegenstand absurd überzogener Weise in das Leben und selbst die Grundrechte von unbescholtenen Bürgern eingreift, läßt Zweifel an der Absicht dieser Gesetzgebung entstehen. Es entsteht der Eindruck, als solle nicht zugegeben werden, dass hier Gesetzgebung mit der heißen Nadel unter dem Druck der Regenbogenpresse betrieben wurde, als sei man nicht im Stande (oder Willens) einen Fehler einzugestehen und zu korrigieren.


"Der Hund liebt und verehrt uns, als hätten wir ihn aus dem Nichts emporgezogen. Er ist vor allem unser Geschöpf, voll überströmender Dankbarkeit und uns treuer als unser Augapfel. Er ist unser geheimer und begeisterter Sklave, den nichts entmutigt, dem nichts widerstrebt, dem nichts den glühenden Glauben und die Liebe nehmen kann."
"Soweit die Annalen der Menschheit reichen, ist der Hund an unserer Seite wie jetzt. Wir brauchen weder sein Vertrauen noch seine Freundschaft zu erwerben. Er wird als unser Freund geboren und glaubt schon an uns, wenn seine Augen noch geschlossen sind."
"Wir sind allein, vollkommen allein auf diesem Zufallsplaneten. Und von all den vielen Lebewesen hat keines außer dem Hund einen Bund mit uns geschlossen."
Maurice Maeterlinck


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Die Hundeverordnungen und -gesetze finden Sie in der Rubrik "Gesetze".